
Bild: Walter Crane
Der glückliche Prinz ist eine Kurzgeschichte von Oscar Wilde aus dem Jahr 1888, die in der Sammlung Der glückliche Prinz und andere Märchen enthalten ist.
Zusammenfassung
Hoch über der Stadt, auf einer langen, schlanken Säule, steht die Statue des glücklichen Prinzen. Er ist mit Blattgold bedeckt, hat zwei Saphire als Augen und einen roten Rubin am Griff seines Schwertes.
Eines Abends kommt eine einsame Schwalbe angeflogen. Die anderen Schwalben sind schon vor ein paar Tagen nach Ägypten aufgebrochen. Die Schwalbe kommt zu spät, weil sie ihre Zeit damit verschwendet hat, einem Schilfrohr den Hof zu machen. Er bat sie, mit ihm nach Ägypten zu fliegen. Doch sie lehnte ab. Als die Schwalbe in der Stadt ankommt, ruht der Vogel sich am Fusse der Statue aus. Als er gerade seinen Kopf unter den Flügel stecken will, spürt er ein paar Tropfen Wasser auf ihn fallen. Er beschließt, sich einen Platz zu suchen, der ihn vor Regen schützt. Dann erkennt er aber, dass die Tropfen Tränen sind, die aus den Augen der Statue rinnen. Die Schwalbe ist überrascht und fragt die Statue nach dem Grund für diese Tränen.
Die Statue erzählt der Schwalbe, er sei der glückliche Prinz, der zu seinen Lebzeiten nie weinte, sondern viel Spaß hatte. Er verbrachte seine Tage mit seinen Spielkameraden und die Abende beim Tanzen in der großen Halle. Er verbrachte sein ganzes Leben glücklich innerhalb der Mauern seines Palastes und bekam nie mit, was in der übrigen Welt vor sich ging. Jetzt, wo er tot ist, haben sie ihn auf diesen hohen Platz gesetzt, von dem aus er das Elend in der Stadt sehen kann, und da er nichts tun kann, kann er nur noch weinen. In der Ferne kann er durch ein offenes Fenster in ein Armenhaus sehen. Dort ist eine Frau mit wettergegerbtem Gesicht und rauen Händen, die an einem Tisch sitzt und ein Kleid für eine Zofe der Königin stickt. In der Ecke des Raumes liegt ein krankes Kind auf einem Bett. Das Kind weint, weil es Hunger hat und seine Mutter ihm nichts zu essen gibt. Der Prinz bittet die Schwalbe, ob sie den Rubin am Griff des Schwertes nehmen und dem armen Kind nach Hause bringen kann. Die Schwalbe zögert einige Augenblicke, denn sie muss nach Ägypten aufbrechen, und außerdem mag sie keine Kinder, die sie mit Steinen bewerfen. Doch als sie das traurige Gesicht des Prinzen sieht, beschließt sie, seinen Wunsch zu erfüllen. Also nimmt sie den Rubin, fliegt über die Dächer der Stadt und schließlich in das Haus und legt den großen Rubin auf den Tisch. Dann fliegt die Schwalbe zum Prinzen zurück, erzählt ihm alles und schläft ein.
Am nächsten Tag nimmt die Schwalbe nach dem Aufwachen ein Bad im Fluss. Danach besichtigt sie alle Denkmäler der Stadt. Am Abend kehrt sie zum Prinzen zurück und teilt ihm mit, dass sie nach Ägypten aufbrechen wird. Der Prinz bittet die Schwalbe, noch eine Nacht zu bleiben. In der Ferne, auf der anderen Seite der Stadt, sieht der Prinz einen jungen Mann auf einem Dachboden, der versucht, ein Theaterstück zu beenden. Da er kein Feuerholz mehr hat, ist es zu kalt, um weiter zu schreiben und er fühlt sich schwach vor Hunger. Also bittet der Prinz die Schwalbe, eines seiner Augen aus Saphir herauszureißen und es dem jungen Schriftsteller zu bringen. Die Schwalbe weigert sich zunächst, gibt aber schließlich dem Druck der Statue nach. Sie fliegt über die Dächer der Stadt und schlüpft durch ein Loch in den Dachboden. Die Schwalbe legt den Saphir in die Mitte eines Straußes verwelkter Veilchen auf dem Tisch.
Am nächsten Tag fliegt die Schwalbe zum Hafen, wo sie vom Mast eines großen Schiffes aus beobachtet, wie die Seeleute große Kisten mit Seilen anheben. Am Abend kehrt sie zum Prinzen zurück, um sich von ihm zu verabschieden, bevor sie nach Ägypten aufbricht. Der Prinz bittet sie, noch eine Nacht zu bleiben. Die Schwalbe erklärt ihm, dass es jetzt Winter werde und sie an einen warmen Ort fliegen muss. Sie verspricht ihm, im Frühling zurückzukehren und ihm zwei schöne Edelsteine zu bringen, wie die, die er verschenkt hat. Der Prinz bittet die Schwalbe um einen letzten Gefallen. Auf dem Platz unten sehe er ein kleines Streichholzmädchen mit nackten Füssen. Sie weint, weil die Streichhölzer heruntergefallen und nass geworden sind. Das Mädchen hat Angst, dass ihr Vater sie schlägt, wenn sie nach Hause kommt. Er fragt die Schwalbe, ob sie ihm das andere Saphirauge herauspicken könnte, um es dem armen kleinen Mädchen zu bringen. Die Schwalbe nimmt den anderen Saphir, fliegt zu dem kleinen Streichholzmädchen und lässt den kostbaren Stein in seine Handfläche gleiten. Das glückliche kleine Mädchen rennt lachend nach Hause.
Als die Schwalbe zum Prinzen zurückkehrt, sagt sie ihm, dass sie bei ihm bleiben möchte, da er jetzt blind ist. Sie schläft zu seinen Füßen ein und steht am nächsten Tag auf seiner Schulter und erzählt ihm all die wunderbaren Dinge, die sie in den Ländern, die sie besucht hat, gesehen hat. Der Prinz bittet die Schwalbe, über die Stadt zu fliegen und ihm zu sagen, was sie sieht. So beginnt die Schwalbe, über die Stadt zu fliegen und sieht viele Menschen, die an Hunger und Kälte leiden. Sie kehrt zum Prinzen zurück und erzählt ihm alles, was sie gesehen hat. Der Prinz fordert sie auf, das Blattgold von seiner Statue zu lösen und all die goldenen Blätter zu den armen Menschen zu bringen, die sie sieht, um sie glücklicher zu machen. Die Schwalbe verteilt die goldenen Blätter, bis der Prinz zu einer grauen Statue geworden ist, die ihren Glanz verloren hat.
Als der Winter kommt, leidet die arme Schwalbe furchtbar unter der Kälte, aber sie will den Prinzen nicht verlassen, weil sie ihn zu sehr liebt. Irgendwann spürt die Schwalbe, dass ihr Ende gekommen ist, und sie kehrt ein letztes Mal zum Prinzen zurück, um sich von ihm zu verabschieden. Er freut sich, weil er denkt, dass die Schwalbe endlich beschlossen hat, nach Ägypten zu fliegen. Sie erklärt ihm, dass sie zum Haus des Todes geht. Die Schwalbe küsst den Prinzen und fällt ihm tot zu Füßen. In diesem Moment ist ein seltsames Geräusch in der Statue zu hören. Das Herz aus Blei der Statue ist in zwei Teile gespalten, vielleicht wegen der schrecklichen Kälte.
Am nächsten Tag kommt der Bürgermeister vorbei und sieht die Statue des Prinzen, die nicht mehr so schön und glänzend ist, wie sie einmal war. Er beschließt, sie einschmelzen zu lassen und aus dem Metall eine neue Statue zu fertigen, die den Bürgermeister selbst darstellt. Im Ofen stellen sie fest, dass das Herz aus Blei nicht schmilzt und werfen es auf den Müllhaufen, auf den sie die tote Schwalbe geworfen haben.
Als Gott einem seiner Engel befiehlt, ihm die beiden wertvollsten Dinge aus der Stadt zu bringen, bringt der Engel ihm das bleierne Herz des Prinzen und die tote Schwalbe.